Die Liebe des Ulanen 3 Der Kapitän der Kaisergarde by Karl May

Die Liebe des Ulanen 3 Der Kapitän der Kaisergarde by Karl May

Autor:Karl May
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Books on Demand


10. Kapitel

Vorher war Belmonte dieselbe Treppe emporgestiegen. Im Flur angekommen, hatte er seine Laterne angebrannt und beim Scheine derselben sehr leicht die weiter empor führenden Stufen gefunden. Obgleich ihm die Augenblicke kostbar erschienen, schritt er doch nur langsam weiter. Das Haus war alt. Die Treppensteine bröckelten, und die Diele des Corridors bestand aus Brettern, welche aus den Fugen gegangen waren und sehr leicht ein kreischendes Geräusch verursachen konnten. Das musste vermieden werden.

Er gelangte an die zweite Treppe und es war ihm, als ob er da oben sprechen höre. Er steckte die Laterne ein, um sein Nahen nicht zu verraten und tastete sich im Finstern empor. Ja, als er den oberen Corridor erreichte, erblickte er an der rechten Seite ein Lichtviereck, welches dadurch hervorgebracht wurde, dass in einem gegenüber liegenden Raume, welcher geöffnet war, eine Lampe brannte. Er war am Ziele angelangt.

Leise, ganz leise, Schritt für Schritt bewegte er sich vorwärts, bis er hinter der offenen Türe stand und zwischen dieser und dem Türgewände hindurchblicken konnte.

Da stand sie, oder vielmehr sie hing vor Ermattung in ihren Fesseln. Die Augen waren geschlossen, die Wangen bleich, ja fast weiß wie Gyps. Vor ihr standen Brecheisen und Dietrich, ihre Tabakspfeifen rauchend und die Schönheiten dieses nur halb verhüllten Körpers mit gierigen Augen verschlingend. Dabei warfen sie sich Bemerkungen zu, welche die Gefangene nicht zu verstehen schien, da ihr Aussehen vermuten ließ, dass sie ohnmächtig sei.

»Denkst Du wirklich, dass wir sie für hunderttausend Franks hingeben?«, fragte Brecheisen.

»Fällt keinem Menschen ein!«, antwortete der Andere.

»Der Alte muss bluten, bis wir sein ganzes Vermögen haben. Und dann –!«

»Was dann –?«

Er schnalzte mit der Zunge, schnippste mit dem Finger und sagte: »Dann wird sie unsere Frau.«

»Dann erst? Warum nicht jetzt schon? Schau her, ich werde ihr einen Kuss geben, ich, einer Gräfin! Donnerwetter! Das ist auch noch nicht dagewesen!«

Er trat ihr näher, um seine Absicht auszuführen. Da aber zeigte es sich, dass sie doch nicht besinnungslos gewesen war. Sie war schwach, todesmatt, und gegen die Blicke dieser Buben hatte sie kein anderes Mittel gehabt als dasjenige des kleinen Käfers, welcher sich tot stellt, sobald er sich in Gefahr befindet. Verteidigen kann er sich ja nicht. Sie hatte also die Augen geschlossen, um die Blicke nicht zu fühlen und den Seelenschmerz, welchen dieselben hervorrufen mussten. Aber sie hörte, was gesprochen wurde; sie vernahm, dass sie geküsst werden solle, geküsst von einem solchen Ungeheuer. Das gab ihrem Körper für den Augenblick die verlorene Spannkraft zurück. Sie öffnete die Augen, erhob das Köpfchen und rief: »Zurück, Teufel! Dein –«

Sie sprach nicht weiter, denn hinter den Beiden tauchte eine Gestalt auf, welche einen Totschläger in der Hand trug. Der Schein der Lampe fiel hell auf diesen Mann. Welch ein Gesicht! Sie kannte es. Sie hatte es gesehen, gesehen in der Oper und es dann nicht wieder aus ihrem Gedächtnisse und aus ihrem – Herzen gebracht. Ihr Atem stockte, und ihre Pulse flogen. Sie wusste nicht, war es Schreck, fürchterlicher Schreck, oder ein unendliches Entzücken, in Folge dessen die Sprache ihr versagte.

»Teufel?«, lachte der Schurke höhnisch auf.



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